Aus dem Human Resources Manager, HR und IT, Interview – 08.12.2015
Arbeiten von unterwegs, selbstbestimmt und kooperativ: Organisationen wandeln sich. Doch das neue Arbeiten wird in Unternehmen häufig noch mit einem Silo-Denken angegangen. Das Netzwerk Neuwork möchte das ändern und die Bereiche Kultur, IT sowie Office Design zusammenbringen.
Das Thema Arbeit und Organisation wird derzeit stark diskutiert. Die Unternehmen schauen auf die eigene Führung, die Prozesse und Strukturen und fragen sich, ob sie noch zukunftsfähig sind. Seht Ihr momentan eine Trendwende, was das Thema angeht?
Markus Albers: Als ich 2008 mit meinem Buch „Morgen komm ich später rein“ auf Tour gegangen bin, war die Skepsis zu dem Thema noch groß. Seit etwa zwei bis drei Jahren aber, so nehme ich das wahr, herrscht ein gewisser Konsens – sowohl bei Unternehmen als auch in den Feuilletons –, dass die Arbeitswelt flexibler, mobiler und agiler werden muss. Die Frage ist also nicht mehr, ob diese neue Art der Arbeit kommt. Sondern das „Wie“ steht im Vordergrund.
Wo seht Ihr momentan die wichtigsten Hebel für die Veränderung?
Markus Albers: Ich bin der Meinung, dass die Unternehmen vor allem von reinen Lippenbekenntnissen wegkommen müssen. Zu oft werden im Employer Branding Versprechungen für die Generation Y gemacht, die wenig nachhaltig sind, beispielsweise wenn es um eigenverantwortliches oder ortsunabhängiges Arbeiten geht. Nicht selten hat man die besten Absichten oder auch die notwendigen Tools, aber die Praxis sieht dann völlig anders aus, weil die Umsetzung nicht konsequent erfolgt oder die Kultur hinterherhinkt.
Der Begriff „New Work“ geistert schon seit einiger Zeit umher. Aber was genau darunter zu verstehen ist, ist dann doch wieder unterschiedlich. Es reicht von mehr Partizipation und Augenhöhe bis zur Demokratie im Unternehmen. Was ist für Euch New Work? Was versteht Ihr darunter?
Detlev Artelt: Auch wenn ich persönlich seit mehr als 25 Jahren zu dem Technologie-Aspekt berate, ist New Work für mich vor allem der ganzheitliche Blick auf das Thema. Und ein solcher Blick fehlt in vielen Unternehmen. Manche konzentrieren sich auf die Technik, andere aufs Office und die dritten haben die Kultur im Fokus. Was vorherrscht, ist das Denken und Handeln in Silos. Es fehlt die umfassende Strategie. Wer mit New Work aber ernst machen will, muss alle Bereiche berücksichtigen.
Markus Albers: Es geht darum, Kultur mit ganz konkreten Policies zu ändern. Bei Best Buy beispielsweise durfte man – wenn Kollegen einen unterwegs anrufen oder mailen – auf die Frage „Wo bist Du, was machst Du?“ einfach nur antworten: „Was brauchst Du von mir?“ Es sind diese kleinen Dinge, die das Mind-Set ändern.
Detlev Artelt: Und dann erst wird die Technologie für Kollaboration oder Unified Communications, die vielerorts bereits existiert, auch genutzt.
Markus Albers: Gleichzeitig muss dann das Büro neu gedacht werden. Es ist heute nicht mehr der Ort, an den ich gehe, um auf einen Bildschirm zu schauen. Das kann ich überall. Im Büro will ich mit Kollegen kreativ sein. Nur: Dafür müssen die Räume anders eingerichtet und genutzt werden.
Und wie soll Neuwork da helfen?
Detlev Artelt: Wir bringen die Experten aus den verschiedenen Bereichen zusammen, die Verzahnung ist das A und O. Denn wirklicher Wandel kann nur entstehen, wenn Kultur, Raum und Technologie aufeinander abgestimmt modernisiert werden.
Markus Albers: Für die HR gilt doch heute oft, dass die IT sie am langen Arm verhungern lässt. Da heißt es dann: Dies geht technisch nicht, oder das ist nicht sicher, oder jenes zu teuer. Hier wollen wir die Personaler auch ein bisschen empowern, damit sie auf Augenhöhe mitreden können.
Was kommt Eurer Beobachtung nach in Bezug auf den Change für mehr Kollaboration in den meisten Unternehmen in der Regel zu kurz? Wo gibt es vor allem Nachholbedarf?
Detlev Artelt: Bei den meisten Unternehmen wird ein Berg Technik auf die Mitarbeiter gekippt, die dann damit alleine gelassen werden. Es werden zwar viele Freiheiten gegeben, aber keine Hilfestellungen, keine neuen Prozesse und Mechanismen, die für eine vernünftige Kontrolle der Ergebnisse sorgen. Da rede ich jetzt nicht unbedingt von jungen Startups, sondern vom typischen deutschen Mittelstand, der sich diesem Thema auch annimmt. Oder nehmen wir das Thema „neue Arbeitsplätze“. Es werden häufig Räume gestaltet und mit moderner Technik ausgestattet, aber nicht geschaut, ob die Akustik es erlaubt, dort produktiv zu arbeiten. Mehrere Leute in einem Raum erzeugen aber nun mal auch eine Menge Krach.
Was ist aus Eurer Sicht der wichtigste Schritt, um eine veränderte Arbeitswelt im Unternehmen anzustoßen? Vielleicht die Offenheit für eine abteilungsübergreifende Zusammenarbeit zu fördern?
Detlev Artelt: Auf jeden Fall sollte das komplette Management das Thema treiben und nicht nur irgendwie mitmachen. Und es muss die Veränderungen in Sachen Kommunikation und Zusammenarbeit auch wirklich leben. Natürlich ist es sinnvoll, wenn verschiedene Abteilungen und Standorte, Lieferanten und Hersteller effizienter zusammenarbeiten und so die Kommunikation beschleunigt wird. Diese effiziente Zusammenarbeit darf aber dann nicht in den oberen Hierarchien stecken bleiben.
Markus Albers: Statt langwieriger Change-Programme sind wir eher für schnelle, anschauliche Experimente. Zum Beispiel in einem „Weekend Makeover“ einen Konferenzraum zum Coworking-Space umgestalten und dann schauen, wie das die Arbeitsweise verändert. Also: machen statt diskutieren, Empirie statt Theorie.
Microsoft unterstützt Euer Netzwerk. Welche Rolle spielt das Unternehmen genau?
Markus Albers: Wir sind kein neues Beratungsunternehmen, sondern eine Plattform, auf der Experten aus unterschiedlichen Bereichen vernetzt zusammenarbeiten. Gleichzeitig hat diese Plattform einen Beirat, in dem Vertreter von Unternehmen sitzen, die in den jeweiligen Themen Expertise haben. Und Thorsten Hübschen, Autor von „Out of Office“ und bei Microsoft unter anderem verantwortlich für Produktivität 4.0, ist eines der Beiratsmitglieder. Ein anderer ist Philip Vanhoutte von Plantronics, der schon lange für das Thema kämpft.
Aber wie unabhängig kann man bei der Auswahl von Technologie-Tools sein, wenn ein Dienstleister-Unternehmen im Beirat sitzt?
Markus Albers: Alle Beirats-Mitglieder wissen, dass Unabhängigkeit für uns essenziell ist. Und das akzeptieren sie nicht nur, das ist auch in ihrem Sinn. Denn diese Unternehmen sehen auch, dass es neben Technologie-Beratung auch einen Wandel in Kultur und Bürodesign geben muss. Nur: Die Beratung können sie nicht glaubwürdig selbst anbieten. Sie können jedoch sehr wohl auf uns verweisen, aber eben nur, wenn wir wirklich für unabhängige Beratung stehen. Wir sind weder Sprachrohr noch eine Vertriebsplattform für die Beiratsmitglieder.
Wer ist vor allem Eure Zielgruppe? Gehören die Personaler dazu?
Markus Albers: Absolut. Wenn ich auf Veranstaltungen zu neuen Arbeitswelten gehe, dann sind es entweder Veranstaltungen mit Personalmanagern und HR-Beratern oder es sind nur Office-Designer und Facility-Manager vor Ort, die über Raumkonzepte sprechen, oder die Diskussion findet lediglich unter IT-Leuten statt. Es sind Silo-Veranstaltungen. Dabei müssten sie eigentlich miteinander reden. Wir wollen uns daran messen lassen, dass wir es schaffen, die verschiedenen Bereiche auch innerhalb des Unternehmens zusammenzubringen. Nur so geht es.
Detlev Artelt: Wir wollen die verschiedenen Formate auch so gestalten, dass wir alle ansprechen. Das ganze Unternehmen muss sich mit dem Thema beschäftigen, um das Optimum rauszuholen.
Markus Albers: Gleichzeitig geht es um eine Vermittlungs- und Übersetzungsfunktion zwischen den verschiedenen Abteilungen. Es geht darum, gemeinsames Handeln zu erzeugen. Und – mal ganz praktisch – mit gemeinsamen Budget-Töpfen dann auch wirklich etwas zu bewegen.
Ist eine bestimmte Haltung für Euch wichtig? Oder geht Ihr mit einer reinen Dienstleister-Mentalität an den Start?
Markus Albers: Ich glaube, dass wir derzeit an einem Wendepunkt stehen. Wir haben die neuen Werkzeuge, aber es fehlen uns noch die notwendigen Kulturtechniken, diese so umzusetzen, dass wir uns dabei nicht selbst schaden. Darum all diese nächtlichen E-Mails, das Always-On, das wachsende Gefühl, dass die Arbeit nie aufhört. Wir müssen dringend anfangen, uns darüber zu verständigen, wie wir miteinander in dieser neuen Arbeitswelt umgehen wollen. Das gilt für Abteilungen, Unternehmen, die Gesellschaft. Denn wir stellen jetzt die Weichen dafür, wie wir in den nächsten 10 oder 20 Jahren arbeiten werden. Und wenn wir sie falsch stellen, droht ein Desaster, das wir nicht mehr werden zurückdrehen können.
Neuwork ist ein Netzwerk aus Experten unterschiedlicher Bereiche wie Organisationsberatung, Kommunikationstechnologie, Bürogestaltung und Personalentwicklung, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, Unternehmen auf ihrem Weg in eine moderne Arbeitswelt zu begleiten. Unterstützt wird das Netzwerk von einem Beirat aus Unternehmensvertretern, in dem neben Thorsten Hübschen von Microsoft und Autor des Buches „Out of Office“ auch Henning Schäfer von Plantronics sitzt.